Aufgefallen sind sie mir eigentlich nie unter seinen weiten Sweatshirts, aber anscheinend haben sie meinen Kumpel so sehr gestört, dass er bereit war, sich dafür unters Messer zu legen. Die Rede ist von Lipomastie, oder einfacher ausgedrückt: Männerbrüste. Eine gewisse Schamesröte stieg Mark ins Gesicht, als er mir davon erzählte. Er habe es durch Sport einfach nicht in den Griff gekriegt und sich daher an seinen Hausarzt gewandt. Dieser empfahl ihm einen guten Chirurgen, der dann gleich noch das Bauchfett mit abgesaugt hat (wenn man schon mal dabei ist). Um ehrlich zu sein, wusste ich nicht, dass Mark in seinem Leben jemals sportlich aktiv war, aber sei’s drum. Er machte auf jeden Fall einen zufriedenen Eindruck. Außerdem sind die Zeiten, in denen Eitelkeit eine reine Frauendomäne war, doch längst vorbei und für dumme Sprüche würden noch genug gemeinsame Grillabende kommen.
Wenn ich so darüber nachdenke, fällt mir auf, dass sich das Streben nach Selbstoptimierung bei meinen Freunden in den letzten Jahren zu einem kleinen Wettrüsten entwickelt hat. Thomas machte vor einigen Jahren den Anfang. Aus medizinischer Notwendigkeit, wie er immer wieder betonte, ließ er sich die Schlupflider straffen. Nun könne er einfach wieder besser sehen. Andi folgte dagegen dem Beispiel eines Jürgen Klopps und sagte seinen Geheimratsecken in einer belgischen Haarklinik den Kampf an. Ein gutes
Dreivierteljahr war er nur mit Baseball-Mütze zu sehen. In anderen Ländern geht man mit maskuliner Eitelkeit deutlich offener um. Das fiel wir wie Schuppen von den Haaren, Pardon, ich meine natürlich Augen, als ich mit meiner besseren Hälfte vor zwei Jahren Urlaub in der Türkei machte. Männer, die mit stolz geschwellter Brust und Stirnband auf dem von Schorf übersäten Kopf über Istanbuls Einkaufsstraßen flanieren, sind dort keine Seltenheit.
Jeder darf und soll sehen, dass Mann etwas für seine Schönheit tut und natürlich auch das nötige Kleingeld etwa für eine Haartransplantation hat. Dass Mark mit Verband und Kompressionsbandage über die Timmendorfer Strandpromenade schlendert, um aller Welt den Abschied von seinen Männerbrüsten zu signalisieren, halte ich für eher unwahrscheinlich. Da ist uns die Türkei wohl einfach einen Schritt voraus. pa
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