Vor kurzem wagten meine Freundin und ich den kühnen Schritt, unsere Küche komplett neu zu gestalten. Schluss mit den alten, verkratzten Tellern und den Senfgläsern mit Disney-Motiven – wir wollten etwas Schlichtes, Elegantes, Minimalistisches. Ein Design, das Instagram-würdig war und unsere Gäste vor Neid erblassen lassen würde. Aber wie das Leben so spielt, kam alles anders als geplant. Denn je mehr die neuen Teller und Gläser Einzug hielten, desto mehr bemerkte ich, dass etwas fehlte. Die Küche sah vielleicht stilsicher aus, aber sie fühlte sich an, als hätte sie ihre Seele verloren. Kein Charme, keine kleinen Macken, einfach nichts, was sie von der perfekt gestylten Küche einer Kochshow unterscheiden würde. Ich muss gestehen, es war nicht meine Idee. Meine Freundin war die treibende Kraft hinter diesem Upgrade. Doch mit der Zeit wuchs in mir die Sehnsucht nach etwas Unperfektem, etwas mit Charakter. In meiner Verzweiflung griff ich zu einer subtilen Taktik, um wenigstens einen Hauch von Unvollkommenheit zurückzugewinnen. Ich begann, meine Freundin häufiger nach Gerichten zu fragen, die Senf als Zutat erforderten. Geschickt entsorgte ich die Hälfte des Senfs, ohne dass sie es merkte. Mittlerweile habe ich wieder drei leere Senfgläser mit Disney-Motiven, aus denen ich heimlich trinke, wenn meine bessere Hälfte nicht zugegen ist – und das, was früher selbstverständlich war, hat plötzlich einen Wert für mich bekommen. Gestern bin ich beim Zappen in der Glotze bei einer Sendung hängen geblieben, die sich um japanische Lebensart und das Prinzip von Wabi-Sabi drehte, oder war es Wasabi? Wie auch immer, jedenfalls ging es um die Wertschätzung und die Schönheit einfacher, unvollkommener Dinge. Ich weiß nicht, ob es in Japan auch Senfgläser mit bunten Disney-Motiven gibt, aber es würde mich nicht wundern. pa