Warum tue ich mir das eigentlich noch an? Mein ganzer Körper ist ein einziger Krampf, es regnet in Strömen und mein Gegenspieler, ein freundlicher Bierbauch namens Micha, erörtert mir seit geschlagenen 15 Minuten die Vorzüge seiner Schraubstollen – wenn er mich nicht gerade rüde umgrätscht. „In dem Alter kann man einfach nicht mehr bremsen“, kommentiert einer der wenigen Zuschauer Michas 23. Tackling vergnügt. Saisonauftakt in der Altherren. Fußballromantik sieht anders aus.
Ein großer Kicker war ich eigentlich nie, aber ein bisschen Bewegung und Geselligkeit würden mir guttun, dachte ich mir, als ich meine längst beendete Karriere vor zwei Jahren reaktivierte. Ein Kumpel aus Kindheitstagen hatte mich überredet. Statt Couch und Feierabendbier zu genießen, verplempere ich meinen Mittwochabend nun also bei „Ich-schick-nicht-mal-den-Hund-vor-die-Tür-Wetter“ auf einem Bolzplatz irgendwo in der ostholsteinischen Provinz. Das einzige Tor macht heute ein knapp 50-jähriger Kugelblitz, der trotz seiner Leibesfülle den einen oder anderen erstaunlichen Sprint anzieht und so unser Abwehrbollwerk schließlich knackt. Bei mir knackt nur der Rücken, als ich mich nach dem Gegentreffer herunterbeuge, um meine Treter zu binden.
Ich denke ernsthaft über neues Schuhwerk mit Klettverschluss nach. Dann endlich beendet der Schiri den müden Kick und wir gehen zum entspannten Teil des Abends über. Marco ist neu in der Mannschaft und hat zum Einstand ‘ne Kiste mitgebracht. Gegenspieler Micha kommt herüber und bietet mir als Entschädigung für die unzähligen Blutgrätschen eine Zigarette an. Als ich
verschwitzt und dreckig an der Wand der Umkleidekabine lehne und mir Gerstensaft und Fluppe schmecken lasse, bin ich mit mir und der Welt im Reinen und frage mich: Kann es etwas Schöneres als Fußball geben? pa
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