2. Mai 2024
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Interview – Im Gespräch mit Felix Klieser

In seinem bisher jungen Leben hat der mehrfach preisgekrönte Hornist bereits eine Menge erreicht. Dabei ist der gebürtige Göttinger kein gewöhnlicher Musiker. Geboren ohne Arme bedient er das Instrument mit seinem linken Fuß. Mit uns sprach Felix Klieser unter anderem über Vorbilder und Träume…

Hallo Felix, wie bist Du heute in den Tag gestartet?

Ich bin gerade in Prag und habe gestern Nacht bis ein Uhr geübt. Heute morgen habe ich gefrühstückt und meinen obligatorischen Coronatest genossen und gleich geht es zur Probe.

Du sagtest einmal, dass Du längst das erreicht hast, wovon Du als kleiner Junge geträumt hast. Bist Du denn jetzt am Ende Deiner Träume?

Nein, das wäre ja furchtbar. Man erträumt sich ja nicht etwas und wenn es vorbei ist, hat man keine Wünsche mehr. Es kommen doch immer neue Träume hinzu. Daraus ergeben sich dann neue Herausforderungen, denen man sich stellt. Das Leben ist halt ein Langzeitprojekt.

Wie trainiert man das Horn blasen?

Man übt einfach ständig. Zum einen verschiedene Stücke und zum andern Noten auswendig. Das andere was man machen muss ist, seinen Körper fit zu halten. Es ist übrigens ein Mythos, dass man viel Luft benötigt. Entscheidend sind die Lippen und der Oberkörper. Hier muss man die Muskeln trainieren. Sonst geht es nicht.

Du bist ohne Arme geboren und doch beherrscht Du das Horn wie kein
Zweiter. Wie bist Du Zweiflern auf Deinem Weg begegnet?

Ich glaube, jeder Mensch, der etwas machen will, wird irgendwann immer auf Hindernisse treffen. Jeder wird auf Menschen treffen die sagen, dass es nicht funktioniert. Die Frage ist: Wie geht man damit um. Zieht man sich zurück und verliert sein Ziel oder geht man seinen Weg weiter. Das ist eine Einstellungsfrage. Wichtig ist, dass man immer am Ziel festhält.

Hat man bei Deinem Talent und Deinen Leistungen noch ein musikalisches Vorbild?

Ja na klar: Hermann Baumann. Das ist ein Hornist, den ich schon als Kind total toll fand. Dem habe ich immer zugehört. Ein Vorbild hat glaube ich jeder Musiker.

Kannst Du Dir vorstellen, ein weiteres Instrument zu lernen?

Nein. Ich glaube, man stellt sich das immer sehr einfach vor. Ein Beispiel: Die Leute sehen Fussball und denken, die stehen nur 90 Minuten auf dem Platz und verdienen Millionen. Die Energie, die drin steckt, ist nicht ersichtlich. Man ist jede Stunde intensiv damit beschäftigt zu üben. Für ein weiteres Instrument bräuchte ich mehr Kapazitäten.

Du warst auf Tournee mit Popstar Sting. Wie kam es dazu?

Das war ein Projekt vor vielen Jahren gemeinsam mit dem Bundesjugendorchester. Sting hat alle seine Songs von „The Police“ umschreiben lassen für Band und Orchester. Es waren mehrere Konzerte in Wolfsburg. Die Reaktion des Publikums war einfach toll. Es ist natürlich anders als in einem üblichen Klassikkonzert … mehr high life. Es war beeindruckend, das mitzuerleben.

Wie kamst Du dazu, klassische Musik zu machen?

Klassik hört man und entweder es gefällt oder nicht. Man muss dafür nicht besonders gebildet sein, besonders schön sein oder besonders toll gekleidet sein. Und das will ich vermitteln. Ich bin einfach offen gegenüber der Musik. Auch gegenüber den Musikern. Und dabei bin ich ein stinknormaler 30jähriger Typ, der liebt was er tut.

Am 11.11. 2021 bist Du – wenn es denn stattfindet – im Timmendorfer Strand beim Charity Talk „Unterhaltung am Meer“ zu Gunsten von UNICEF. Worauf sollte in Sachen „Soziales Engagement für Kinder“ besonders aufmerksam gemacht werden?

Schwer zu beantworten, denn es ja alles ein Riesengefüge. Wenn man sich die gesamten sozialen Strukturen ansieht, kann man nicht nur eine Erbse herauspicken. Was mich immer mehr beschäftigt, ist die Spaltung von Menschen aufgrund ethnischer Hintergründe, wie etwa Hautfarbe oder Religion. Davon sind ja leider auch Kinder betroffen. Ich halte diesen Prozess für gefährlich. Was für gesellschaftliches Potential liegt dort brach? Menschen in Kategorein einteilen ist einfach Sprengstoff und das Problem sollte ernst genommen werden.

Welche Hilfestellung möchtest Du anderen Menschen mit auf dem Weg geben, die ebenfalls mit einem Handicap zu leben haben?

Das kann ich gar nicht. Was heißt „Menschen mit Handicap“? Jemand der keine Arme hat, hat ja ganz andere Probleme als jemand, der keine Beine hat. Jemand, der keine Beine hat, hat nicht die Probleme wie einer, der
geistig behindert ist. Man kann eine Behinderung nicht kategorisieren. Mir nützt zum Beispiel Barrierefreiheit nichts. Es gibt Zwangsstörungen, Ängste oder andere Einschränkungen, die man nicht sieht. Jeder von uns hat seine Probleme, Sorgen und Nöte. Das gehört zu uns allen dazu und ist Teil unserer Persönlichkeit. Menschen sind individuell. Problematisch ist, wenn wir das Leben anderer Menschen aus unserer eigenen Perspektive sehen.

Danke für das tolle Interview. Wir wünschen viel Erfolg bei Deinem weiteren Weg.

© Foto: Julia Wesely

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