29. März 2024
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Männer mal so gesehen – Von Mäusen und Männern

Es hatte sich bereits am Abend angedeutet. Ein Kratzen im Hals und eine verstopfte Nase konnten nichts Gutes verheißen. „Ich glaube, ich werde krank“, klagte ich meiner Süßen, die mir umgehend einen Erkältungstee aufsetzte und meine Brust vor dem Einschlafen mit irgendeinem Balsam einrieb. Das Klingeln des Weckers setzte einer ohnehin schon unruhigen Nacht ihr allzu jähes Ende. Meine bessere Hälfte ging zum Arzneischrank, kramte darin kurz herum und kredenzte mir dann eine in Wasser aufgelöste Scheußlichkeit. Tapfer, wie echte Kerle nun mal so sind, würgte ich es klaglos hinunter und presste mit letzter Kraft hervor: „Mir geht es gar nicht gut. Ich kann heute nicht zur Arbeit.“ In die Empathie meiner Frau mischte sich nun ein gewisser Argwohn. „Männer sind wirklich nicht belastbar“, entfuhr es ihr, bevor sie den Kindern Nutella-Stullen schmierte und sich anschließend auf den Weg zur Arbeit machte. Ich haute mich wieder aufs Ohr und wachte gegen Mittag auf. Die Kinder waren längst in der Schule. Nicht belastbar? Der Nachhall dieser infamen Unterstellung führte mich ins Internet. Der körperlichen Ohnmacht nah fand ich das Ergebnis einer britischen Studie. An Ratten und Mäusen hatten Biologen beobachtet, dass weibliche Tiere deutlich mehr weiße Blutkörperchen zur Abwehr von Viren und Bakterien besaßen als ihre männlichen Artgenossen. Es stellte sich eine gewisse Genugtuung ein. Doch die Spurensuche ging weiter. Andere Wissenschaftler hatten herausgefunden, dass besonders Männer mit hohem Testosteronspiegel eine schwächere Immunantwort auf Grippeimpfungen zeigten. Ich überflog die Begründung, die anscheinend irgendetwas mit Evolutionsbiologie zu tun hatte, und fuhr den Rechner herunter. Da war er – der Triumph der Gewissheit. Meine angebliche Wehleidigkeit erschien vor diesem Kontext gar als Ausweis besonderer Männlichkeit. Mit einem dicken Schal um den Hals ging es wieder ins Bett, wo ich mit schmerzender aber stolz geschwellter Brust die Ankunft meiner Frau erwartete. Am späten Abend weckte sie mich mit einem Kuss auf die glühende Stirn. Ich erzählte ihr von meinen bahnbrechenden Erkenntnissen. Doch statt Bewunderung erhielt ich nur ein duldsames Lächeln. Vielleicht hätte ich das mit den Mäusen doch weglassen sollen.     pa

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