25. April 2024
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Videokonferenz im Schlafanzug

Es ist alles anders zurzeit, auch wenn sich ganz langsam und zaghaft ein Hauch von „Normalität“ in unser Leben einschleicht. Aber was ist schon normal, wenn ein winziges Lebewesen die Oberhand über unsere Welt gewinnt. Ihm müssen wir uns unterordnen und sogar unser Arbeitsleben in ganz andere Bahnen lenken. Der Wecker klingelt ganz in der Frühe wie immer um 6:30 Uhr. Die Sonne blinzelt durch das geöffnete Rollo und schickt ihre Strahlen an die Wand. Es ist ruhig und friedlich, selbst der Lärm von der Straße scheint weniger laut zu sein.

Schnell unter die Dusche, ein Kaffee im Gehen und ab ins Büro. Doch, halt. Büro? Dann dringt ins Bewusstsein, dass nichts ist mit Büro und in großen Lettern steht vor dem geistigen Auge „Homeoffice“. Also nochmal umdrehen und eine Runde schlafen. Kurz vor dem erneuten Einschlummern ist ein ohrenbetäubendes Krakeelen aus der Küche zu hören. „Das gehört mir, du Dummie. Gibt das sofort her!“. Die Tür öffnet sich abrupt und der kleine Frederik stürmt zu Papa ins Bett. Unter Schluchzem wimmert er: „Papa, sie hat mir meine Quitscheente weggenommen und Dummie zu mir gesagt. Was ist ein Dummie?“ Dann bekommt er einen derartigen Heulanfall, dass der Vater sofort wach ist und den Jungen in den Arm nimmt. In der Küche sitzt Maria am Tisch und versucht Marmelade in den Mund der Ente zu löffeln. Das Handy klingelt. „Guten Morgen Herr Klingbeil!“, hört sich der Vater sagen und geht aus der Küche in sein Büro, während die Kinder sich streiten. „Es scheint, Sie haben unsere Videokonferenz vergessen, Herr Böhmermann? Wir treffen uns in 10 Minuten online. Bitte seien Sie pünktlich“, sagt sein Chef und beendet das Gespräch. 10 Minuten sind viel Zeit denkt der Vater sich und überlegt, was er zuerst tun soll. Vielleicht die Zähne putzen und die Haare kämmen. Und die Kinder? Von denen hört man nichts, das wird schon gutgehen, denkt er sich und geht ins Bad.

In der Küche bereitet er sich einen schnellen Kaffee und stürzt ihn herunter. Er gibt den Kindern Brot und Butter zur Marmelade und schenkt ihnen Saft ein. Inzwischen haben sich die Lütten vertragen. „Sollen wir denn kein Müsli mit Obst essen und Joghurt?“, fragt Maria und schaut ihn ernst an. „Was wird Mama sagen, wenn wir so was Ungesundes essen?“, fragt sie noch. „Heute gibt’s Marmelade, da sind gaaanz viele Vitamine drin und Mama muss doch nicht alles wissen.“ „Frühstückt jetzt und spielt dann leise, Papa muss an den Computer.“ Schnell das Gerät hochgefahren. Sind die Haare in Ordnung, denkt der Vater sich und streicht sie glatt. „Guten Morgen in die Runde!“, sagt er und blickt in aufgeräumte Gesichter auf dem Bildschirm. „Wir können loslegen. Welche Lösungen haben Sie erarbeitet?“, fragt der Chef und blickt aufmunternd. Herr Böhmermann denkt bei sich, das läuft alles gut und unterbreitet detailliert seinen Vorschlag. Zwischendurch wirft er immer wieder einen Blick auf die Homeoffices der Mitarbeiter, die allesamt einen Eindruck machen, als wären Sie einer Werbebroschüre für stylisches Büroambiente entsprungen. Daran hatte er gar nicht gedacht, dreht sich verunsichert um und sieht in den laufenden Fernseher, vor dem die Kinder friedlich sitzen. Dabei gleitet sein Blick an sich herunter, er blickt auf sein gestreiftes Shirt und die schlabberigen Shorts. Dumm gelaufen, denkt er sich und schaltet sein Gerät aus.

© Foto: luismolinero / depositphotos.com

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